Erlebnispädagogik hat in der Erwachsenenbildung eine grössere Bedeutung als je zuvor. Denn ein selbst erfahrenes Erlebnis hat viele positive Effekte – und erst recht, wenn es ein Gemeinschaftserlebnis ist. Die positiven Nebenerscheinungen sind Selbstwirksamkeit, Kompetenzerwerb oder psychosoziale Gesundheit. Davon profitieren auch Studierende und Seminarteilnehmende während ihrer Weiterbildung.
Einst prägte der grosse Philosoph René Descartes im Zusammenhang mit dem Grundsatz des Zweifelns an der eigenen Erkenntnisfähigkeit den folgenden Satz: Cogito ergo sum (lateinisch für «Ich denke, also bin ich.»). In der Erwachsenenbildung gilt mittlerweile auch ein ähnlicher Grundsatz: «Ich erlebe, also bin ich». Denn über das Erleben positiver und einprägsamer Emotionen lässt sich nicht nur effizient unterrichten, sondern auch ein grosser Lernerfolg erzielen. Und wer kennt sie nicht, die schönen «Weisch no»-Momente im Beisammensein, beispielsweise mit ehemaligen Studien-Gspänli oder im Freundeskreis? Positive Emotionen und Erlebnisse prägen wir uns besonders ein und dies nicht etwa nur im Privaten oder im Berufsleben. Natürlich macht dieses Phänomen der starken Erinnerungsfähigkeit an positive oder emotionale Erlebnisse auch nicht dort Halt, wo es um Lernerfolge geht.
Erleben in der digitalisierten «Arbeitswelt 5.0»
Effizient ist Erlebnispädagogik auch aus anderen Gesichtspunkten: Technisch-produktive Veränderungen führten in vielen beruflichen Bereichen zu einem inhaltlich veränderten Anforderungsprofil. Komplexität und Abstraktionsgrad der beruflichen Tätigkeit stiegen ebenso, wie das für die Erledigung der Arbeitsaufgabe erforderliche Wissen. Speziell im Zeitalter der «vierten Industriellen Revolution» mit der voranschreitenden Digitalisierung und den «Arbeitswelten 5.0». Lernerfolge und Umsetzungskompetenzen über ein Erlebnis zu unterstützen liegt somit nahe und erweist sich als effizient. Und so kann sich demnach kein Weiterbildungsinstitut diesem Trend verschliessen. Eine Pionierarbeit leistete hier die Lernwerkstatt Olten (LWO), wo in einigen Ausbildungen und Lehrgängen das Erlebnispädagogische fester Bestandteil des Lernprogramms ist. Wir haben über dieses interessante Thema mit Diana Binder Wettstein gesprochen (siehe Interview unten). Sie ist ein langjähriges Führungsmitglied der Lernwerkstatt Olten und seit 2007 selbstständige Trainerin mit dem Fokus Selbstmanagement- und Führungsseminare. Sie ist Expertin für die Entwicklung neuer Lehrgänge sowie der Digitalisierung von Bildungsangeboten.
Mehr Infos zu den Angeboten:
www.lwo.ch/erlebnis
Diana Binder Wettstein, wie könnte man eine «erfolgreiche Durchführung» einer erlebnispädogogischen Massnahme beschreiben?
Diana Binder Wettstein: Ich denke, es geht in erster Linie vor allem darum, dass man in einem geschützten Rahmen in einer herausfordernden und erlebnisorientierten Situation das Erlernte anwenden und sich auch testen kann. Erlebnispädagogik ist dann wirksam, wenn der Praxisbezug hergestellt wird und man die Prozesse didaktisch begründen kann. Es ist ja mittels Ergebnissen aus der Neuropädagogik bewiesen, dass der Bezug zu einem – wenn möglich positiven Erlebnis – noch Jahre Bestand hat und man die erlebten starken Emotionen im Gehirn mit dem Erlernten verknüpft. Zusammen gefasst geht es hier um das «handlungswirksame Umsetzen».
Worin besteht die Komplexität einer Planung und Durchführung?
Niemand wird gezwungen etwas zu tun, was nicht selbstbestimmt ist. Keine(r) muss die eigenen Grenzen überschreiten. Das muss man in der Planung einbeziehen, wie auch der grosse Aufwand in der Gesamtorganisation. Bei vielen Aktivitäten ist auch der Aspekt Sicherheit sehr wichtig. Die Kursleitenden stecken viel Herzblut in diese Aktivitäten, kennen sich ausgezeichnet mit den lokalen Bedingungen und durchführungstechnischen Herausforderungen aus und müssen dazu auch methodisch-didaktisch alles im Griff haben. Wir verstehen uns da richtig: Man befindet sich in diesen Erlebnistagen – sei es beim Kameltrekking, auf dem Segelschiff oder auch in der Höhle oder auf der Alp – nicht in den Ferien, sondern in einem erlebnispädagogischen Lehrgangsteil.
Gibt es neue Trends in diesem Themenumfeld? Und was plant die LWO in diesem Bereich für die nächsten Jahre?
Der Trend geht klar zur Professionalisierung dieser Angebote. Teambuilding-Events, Rollenspiele und Motivationsevents gehören zwar nicht der Vergangenheit an, aber heute wird mehr verlangt und erwartet. Das Bedürfnis geht eher Richtung «lernzielbezogene Events», die einen klar definierten Output haben und deren Erfolg sofort mess- und spürbar ist. Was ich bemerke: Erlebnispädagogische Elemente finden immer mehr den Weg in den Coachingbereich – also auch ins Businesscoaching – und machen nachhaltiges Lernen möglich.